von Stefanie Reinberger, bild der wissenschaft 10–2007, Nachgehakt
Neuer Optimismus kommt aus den USA, genauer gesagt von der Amerikanischen Krebsgesellschaft (ACS). Dort führt man Buch über die Vielzahl von Leiden, die unter dem Oberbegriff „Krebs“ zusammengefasst werden. Diese Organisation verbreitet nun zum ersten Mal seit Langem gute Nachrichten: Die Zahl der Krebstoten sei rückläufig, vermeldeten amerikanische Epidemiologen um Elizabeth Ward vom Department of Epidemiology and Surveillance Research der ACS. Bereits 2003 wurde ein minimaler Rückgang verzeichnet, der sich – wie die neuesten Auswertungen ergaben – 2004 noch verstärkte. Für Ward und ihre Kollegen ein Grund zur Hoffnung: Sie werten die Zahlen als robusten Trend, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen wird.
Diese Meldungen aus Übersee klingen überraschend – erwartete doch Bärbel-Maria Kurth, Leiterin der Abteilung Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin, Ende 2003 noch eine Zunahme der Krebstodesfälle in Deutschland (bild der wissenschaft plus 12/2003, „Geschenkte Jahre“). Dies führte sie vor allem darauf zurück, dass unsere Gesellschaft immer älter wird. Und betagtere Menschen erkranken im Schnitt häufiger an Tumoren. Trotz dieses Effekts ist jedoch seit 1995 laut Kurths Mitarbeiter Joachim Bertz auch bei uns die Zahl der Krebstoten leicht rückläufig – bei Frauen. Bei Männern hingegen nimmt sie weiter zu.
Von einem statistisch gesicherten Abwärtstrend möchte Bertz derzeit daher noch nicht sprechen. Auch Nikolaus Becker, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologische Grundlagen der Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, mahnt zur Zurückhaltung. Es handle sich eher um eine Stabilisierung der Zahlen (sie pendeln seit Jahren um einen Wert von 210 000 Krebstoten pro Jahr) – und das bei gleichzeitiger Zunahme an Neuerkrankungen: von 351 000 (1993) auf 438 000 (2003). Alle Zahlen sind allerdings Schätzungen, da es in Deutschland noch immer kein flächendeckendes Krebsregister gibt.
Der Hauptgrund für den Rückgang des Krebstods bei Frauen ist die verbesserte Früherkennung. Das zeigt sich etwa beim Gebärmutterhalskrebs. „Das war in den Sechzigerjahren die zweithäufigste Krebstodesursache, und in Entwicklungsländern sehen wir heute noch ein ähnliches Bild“, sagt Becker. In Deutschland hingegen stand diese Tumorart 2002 nur noch auf Rang 12. Ein weiteres Indiz liefert eine Studie von Hermann Brenner, der die Abteilung Epidemiologie und Alternsforschung im Deutschen Krebsforschungszentrum leitet. Er verglich die Überlebensraten von Brustkrebspatientinnen in Deutschland und den USA. Die Amerikanerinnen schnitten deutlich besser ab – „vermutlich wegen des gründlicheren Mammographie-Screenings in den USA“, so Brenner.
Von den neuen Impfstoffen gegen die Papillomaviren 16 und 18, die für rund 70 Prozent aller Erkrankungen an Gebärmutterhalskrebs verantwortlich sind, erwarten Forscher in den nächsten Jahren einen weiteren Rückgang der Krankenzahl. Ein weiterer entscheidender Faktor: das Rauchen. Lungenkrebs ist in Deutschland die Ursache von 26,3 Prozent aller Krebstodesfälle bei Männern und damit Killer Nummer eins. Und er ist zu 90 Prozent durch den blauen Dunst verursacht – also vermeidbar. Besonders eindrucksvolle Zahlen hierzu stammen aus Kalifornien, wo der Anteil der Raucher seit 30 Jahren kontinuierlich zurückgeht – von rund 31 Prozent der Erwachsenen 1978 auf 18 Prozent 1998. Entsprechend reduzierte sich die Neuerkrankungsrate für Lungenkrebs zwischen 1988 und 1999 um 19,5 Prozent und für Blasenkrebs um 12,4 Prozent. Bertz ist überzeugt: „Je weniger Menschen rauchen, umso weiter geht die Zahl der Krebserkrankungen zurück.“
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